Die SI-Mototherapie® nach Kesper
Die SI-Mototherapie® blickt auf das gesamte Kind und versteht Auffälligkeiten im Verhalten, im Lernen und in der kindlichen Entwicklung als Symptom – nicht als Ursache.
Die Anzahl der Kinder mit Verhaltens-, Entwicklungs-, und Lernproblemen steigt seit Jahren weiter an. Diese Kinder weisen häufig Störungen in der Entwicklung der Grob- und Feinmotorik auf, haben Probleme in der Sprachentwicklung, Konzentrationsstörungen, sind vermehrt unruhig, aggressiv, haben eine niedrige Frustrationstoleranz, Lese- und Rechtschreibstörungen und Rechenschwächen.
Auch psychosomatische Störungen wie Kopf-, Bauch- und Rückenschmerzen oder Essstörungen nehmen weiter zu.
Studien haben gezeigt, dass Kinder, die in den genannten Bereichen als auffällig eingestuft wurden, immer eine Häufung von sensomotorischen Auffälligkeiten in den Untersuchungen zeigten.
Was bedeutet eigentlich „Sensorische Integration“?
Unter dem Begriff versteht man sämtliche Prozesse der Aufnahme, Verarbeitung und Organisation von Sinnesinformationen (Wahrnehmung). Das bezieht sich nicht nur auf alle aufgenommenen Sinnesreize von Außen, sondern auch auf diese, aus unserem eigenen Körper, wie z.B. wichtigen Informationen aus unserem Gleichgewichtssinn.
Die Sensorische Integration und somit die kindliche Entwicklung, beginnt bereits vorgeburtlich. Gefolgt von vielen kleinen wunderbaren Entwicklungsschritten die wir als Lernen bezeichnen. Der erste Kopfhebeversuch, das erste Lächeln, Drehversuche, Robben, Krabbeln, Sitzen, das erste gesprochene Wort sind magische Momente.
In jedem dieser unzähligen Momente finden millionenfach neue neuronale Vernetzungen statt, welche wiederum die Basis für weitere komplexere Lernvorgänge und Entwicklungsschritte bilden.
Die sogenannten frühkindlichen Reflexe spielen hier eine ausschlaggebende Rolle. Sie sind bereits vor der Geburt des Kindes angelegt, vor und während der Geburt aktiv und sichern in den ersten Wochen das Überleben des Babys. So sorgt der Such- und Saugreflex dafür, dass das Kind in den ersten Lebenswochen nicht verhungert. Im Verlauf der nächsten Monate sind eine Vielzahl an frühkindliche Reflexen daran beteiligt, sensomotorische Entwicklung zu initiieren und das neuronale Netzwerk auszubauen. Immer komplexere Handlungs- und Denkvorgänge werden möglich. Wir bezeichnen dies als Lernen. Zu bestimmten Zeiten, werden einige diese Reflexe gehemmt, sie werden nicht mehr gebraucht (Reflexintegration).
Die Sensorische Integration stellt somit die Grundlage unseres Fühlens, Denkens und Handels dar. Erfolgt aus bestimmten Gründen einer dieser Meilensteine der kindlichen Entwicklung nicht, müssen sich nicht automatisch Defizite auf dem weiteren Entwicklungsweg daraus ergeben. So kommt es immer mal wieder vor, dass ein Kind beispielsweise das Krabbeln überspringt, da unser Gehirn in der Lage ist vieles zu kompensieren müssen sich daraus keine Folgeprobleme ergeben.
Ist die Sensorische Integration allerdings in mehreren Bereichen nicht altersentsprechend entwickelt z.B. durch nicht ausreichend integrierte frühkindliche Reflexe, kann die kindliche Entwicklung ausgebremst werden. Kompensation ist nur noch unter großer Anstrengung oder nicht mehr möglich. Es kommt zu Schwierigkeiten, die das Kind immer mehr in seinen Bemühungen frustrieren und uns Eltern und Fachleute als nicht altersentsprechendes Verhalten oder Lernen auffallen kann. Denn jeder Mensch verfügt über ein bestimmtes Maß an Ressourcen, wenn diese ständig zur Kompensation aufgebraucht werden stehen sie uns in anderen Bereichen nicht ausreichend zur Verfügung, wodurch das Lernen erschwert wird.
Sensorische Integration in der Logopädie
Sprache und Sprechen bilden die Spitze der sensorischen Integration. Allen Möglichkeiten der zwischenmenschlichen Kommunikation liegen Motorik und Wahrnehmung zugrunde. Dazu gehört die gesprochene oder geschriebene Sprache, Gestik und Mimik. Innerhalb der logopädischen Therapie hat sich dieser Ansatz besonders bewährt bei folgenden Diagnosen:
- einem stark verspäteten Sprechbeginn (Late Talker)
- Myofunktionelle Störung
- Begleitend zu einer Spangenbehandlung (KFO) bei z.B. Zungevorschub, Kreuzbiss, Progenie, Prognathie
- Auditiver Wahrnehmungsstörung
- Legasthenie/ Lese-und Rechtschreibschwäche/ Dyskalkulie
- Zungenpressen/ Zähneknirschen
- Artikulationsstörung
- Grammatikproblemen
- …
Die Diagnostik umfasst neben den sprachlichen Kompetenzen auch die motorischen Fähigkeiten (Grob-, Fein- und Sprechmotorik) sowie der Sprache zugrunde liegenden Wahrnehmungsbereiche.
Da die Sprachentwicklung kein isolierter Prozess ist, werden die sprachlichen Auffälligkeiten nie ohne den Bezug zur gesamtkörperlichen Entwicklung gesehen.
Der therapeutische Ansatz liegt somit in der Wiederholung neurophysiologischer Bewegungsmuster, die für die Entwicklung des aufrecht gehenden, sprechenden, denkenden und selbstbewussten Menschen unerlässlich sind. Die Therapie orientiert sich dabei an den individuellen Fähigkeiten des Kindes.
Mit Hilfe von bewegungsunterstützten und rhythmischen Übungen kann das Erlernen und Automatisieren von neuen sprachlichen Fähigkeiten erleichtert werden. Dem Gleichgewichtssystem kommt hierbei eine besondere Rolle zu, da es den Austausch aller Sinneseindrucke zwischen Körper und Kopf integriert.
(Quelle: Gudrun Kesper und Nikola Stenzel, SIM-Institut, Olpe)